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WARUM DER SITZKNOCHENABSTAND WENIG BEDEUTUNG FÜR GUTES SITZEN HAT

Die Frage, welcher Sattel nun der richtige bei einem bestimmten Sitzknochenabstand ist, erreicht uns mehrmals täglich. Unsere Antwort, dass dieses Maß für uns nur eine sehr nachrangige Rolle spielt, überrascht die meisten. Woher dieses Maß kommt, wie es bestimmt wird, wie es damit in der Realität aussieht und was wir darüber denken erfährst Du in diesem Beitrag.

HIER LÄUFT DIR DER SITZKNOCHENABSTAND ÜBER DEN WEG

Sobald es um das Thema richtiger Sattel, bzw. richtige Sattelbreite geht, ist sich ein Großteil der Branche, Medien, Youtube-Videos und sonstiger Anleitungen im Internet einig. Der Abstand der Sitzknochen ist der Startpunkt für die Bestimmung des Sattels, bzw. dessen Breite.

Initiator und Beschleuniger dieser Bewegung waren vor allem die deutschen Ergo-Spezialisten SQ-Lab und Ergon. Vor allem SQ-Lab ermöglichte quasi für jeden den Zugang zu diesem anatomischen Maß über ein sehr einfaches Verfahren. Dazu aber mehr im nächsten Absatz.

Für die Art und Weise wie mit diesem Ausgangsmaß schlussendlich der richtige Sattel, bzw. die Breite, bestimmt wird gibt es verschiedene Wege. Die meisten davon arbeiten über Zuschläge die sich im Wesentlichen aus einer abgeschätzten Position auf dem Rad ergeben, auch hierzu, dann im vorletzten Absatz ein wenig mehr.

SO WIR DER SITZKNOCHENABSTAND GEMESSEN

Bevor wir in die Messmöglichkeiten einsteigen, zeigen wir Dir, was zur Bestimmung des Sitzknochenabstands eigentlich gemessen wird. In der Abbildung siehst Du das Modell eines Beckens. Die roten, mit „1“ markierten Zonen sind die sogenannten Sitzhöcker. Sie bilden an der breitesten Stelle hinten den Abschluss des Sitzbeins (blaue, mit „2“ gekennzeichnete Zonen). Diese treten prominent hervor, wenn das Becken aufrecht steht, wie z.B. beim geraden Sitzen auf einem Hocker.

Diese anatomische Besonderheit machen sich die üblichen Verfahren zur Abstandsmessung zu Nutze.

Das einfachste Verfahren, welches Du auch zu Hause durchführen kannst, funktioniert vereinfacht folgendermaßen: Du suchst Dir eine Sitzgelegenheit mit einer harten Oberfläche, legst ein Stück Wellpappe auf die designierte Sitzfläche, setzt Dich darauf, stehst wieder auf und suchst nach zwei kreisförmigen Abdrücken in der Wellpappe (den Abdruck der Sitzhöcker). Diese markierst Du mit einem Kreis, lotest die Mitte aus und misst dann den Abstand der Kreismitten. Et voilà hast Du Deinen „Sitzknochenabstand“ bestimmt.

Etwas eleganter geht das im Fachgeschäft mit elektronischen Scannern, die in einen Hocker eingebaut sind. Das Ergebnis ist aber dasselbe: Der Abstand zwischen den Sitzhöckern aus dem Beckenmodell in der Abbildung.

SO GROSS IST DIE VARIANZ BEIM SITZKNOCHENABSTAND -NORMALVERTEILUNG

Da es sich nun eingebürgert hat den Sitzknochenabstand mit den vorgenannten Verfahren zu messen, haben wir mal ganz provokant gefragt, ob dieser ganze Messaufwand denn einen Sinn ergibt. Warum fragst Du Dich? Macht doch jeder. Wir sagen: Heute ja, aber vor nicht allzu langer Zeit (und da muss man kaum 20 Jahre zurück) gab es sportliche Fahrradsättel nahezu ausschließlich in „Einheitsbreite“, die sich um und bei 130mm einpendelte, zumindest bei Modellen für die Herren. Und gar so schlecht war man damals auch nicht unterwegs, vielleicht erinnerst Du Dich ja.

Aber wie kann das sein? Dafür lohnt ein Blick in Anatomiestudien die menschliche Becken vermessen haben. Im Folgenden schauen wir uns daher die Ergebnisse der PeopleSize-Studie genauer an (PeopleSize 1998, http://www.openerg.com/).

Als Erstes betrachten wir die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Abstands der Sitzhöcker (das was Du vielleicht schon mit der Wellpappe gemessen hast). Diese siehst Du in der nebenstehenden Abbildung. Wie in einer Anatomiestudie zu erwarten, bildet sich sowohl für Frauen als auch für Männer eine klassische Glockenkurve aus. Die Kurven sind leicht zu lesen: Sie zeigen an, wie wahrscheinlich es ist, dass gewisse Abstände auftreten. In diesem Fall sehen wir recht „enge“ Kurven mit einer geringen Varianz, was schlicht heißt, dass viele Probanden einen vergleichsweise ähnlichen Abstand der Sitzhöcker haben. Auffällig ist, dass die Kurve der Frauen nach rechts verschoben ist, das bedeutet, dass dort größere Abstände bei den Sitzhöckern häufiger sind.

SO GROSS IST DIE VARIANZ BEIM SITZKNOCHENABSTAND - PERZENTILE

Blicken wir nun auf ausgewählte Perzentile aus der Studie. Diese siehst Du wiederum in der nebenstehenden Tabelle. Zur Erläuterung: Perzentile sind ein Lagemaß in der Statistik, welche angeben, an welcher Stelle einer nach der Größe ihrer Werte geordneter Datenreihe wir uns befinden. Konkret bedeutet das für unsere Abbildung folgendes: Das 5. Perzentil mit 100mm bei Männern bedeutet, dass 5% der Probanden einen Sitzhöckerabstand kleiner oder gleich 100mm hatten. Das 50. Perzentil zeigt, dass 50% der Probanden einen Abstand kleiner oder gleich 118mm hatten und zuletzt das 95. Perzentil: 95% der Probanden haben einen Abstand kleiner oder gleich 137mm.

Das gleiche Schema gilt für die Werte der Frauen. Wir haben speziell die 5er und 95er Perzentile herausgegriffen, weil sie aus unserer Sicht für die Bewertung einer „Standardgruppe“ zur Produktspezifikation (des Sattels) ausreichen.

Aber was nehmen wir jetzt hier für unser Thema – die Messung des Sitzhöckerabstands zur Bestimmung des Sattels – mit?

  • Die Streubreite der Abstände zwischen dem 5er und 95er Perzentil ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen mit 40mm überschaubar (das hatten wir auch schon an den relativ „engen“ Glockenkurven gesehen), wenngleich für einen Einheitssattel vielleicht doch ein wenig zu groß
  • Der Median bei Frauen ist um gut 10mm größer das könnte auf einen speziellen Bedarf bei Frauen hindeuten

 

Die Frage ob der Sitzhöckerabstand nun als Ausgangsgröße zur Sattelbestimmung tauglich ist, lässt sich auf dieser Basis noch nicht vollständig beantworten. Das machen wir im nächsten Absatz.

DIE ENTSCHEIDENDE DETERMINANTE: DU AUF DEINEM RAD

Sitzt Du auf dem Rad, so nimmt im Becken das sogenannte Sitzbein (blau in der Abbildung) die Kräfte auf, die Sitzhöcker (rot), die wir ausgemessen haben, sind bei schon moderat sportlichen Positionen nicht mehr relevant.

Warum das?

In den nachfolgenden Abbildungen siehst Du wie sich das Becken,  in Abhängigkeit der Sitzhaltung (von komfortabel bis rennorientiert), immer weiter zum Lenker hinneigt. Mit dieser Winkelveränderung wird das Sitzbein in unterschiedlichen Zonen belastet. Um das zu erklären, betrachten wir das Becken von oben. Hier siehst Du, dass das Sitzbein, ausgehend von den Sitzhöckern V-förmig zuläuft. Bei Männern hat das „V“ einen Öffnungswinkel von rund 70°, bei Frauen ist dieser größer und liegt zwischen 90 und 100°. Je weiter das Becken nun nach vorne kippt, desto weiter wandern die „Belastungszonen“ in Richtung der Spitze des „V“.

Um zu verdeutlichen, was geometrisch mit der „Belastungszone“ passiert, skizzieren wir drei Fälle für das 95er Perzentil beim männlichen Sitzhöckerabstand (137mm). Aus unseren Sitzdruckmessungen kennen wir die „Länge“ der „Belastungszonen“ am Sitzbein sehr gut. Für die folgenden Beispielfälle nehmen wir 50mm als Ausgangsmaß (immer grün hervorgehoben)

SO VARIIERT DIE REALE "SITZBREITE" MIT DER HALTUNG

Komfortable Haltung

Bereits bei einer komfortablen Haltung kippt das Becken leicht nach vorne. Mit diesem Kippen wandern die „Belastungszonen“ (grün) von den Sitzbeinhöckern weg. Misst man nun den Abstand des Schwerpunkts der „Belastungszonen“ (dort sehen wir für gewöhnlich die Kraftmaxima) so kommen wir auf 116mm.
Sportliche Haltung

Neigt sich das Becken in einer sportlichen Haltung weiter in Richtung Lenker rücken die „Belastungszonen“ weiter nach vorne und der Schwerpunktabstand verringert sich auf 83mm.
Rennorientierte Haltung

Im Extremfall, einer sehr rennorientierten Haltung, schrumpft der Schwerpunktabstand auf vergleichsweise winzige 48mm.

ZUSAMMENFASSUNG

Zusammenfassend kann man also sagen, dass wir uns über alle Fälle hinweg beim Schwerpunktabstand zwischen 48 und 116 mm bewegen. Da am Schwerpunkt die höchsten Kräfte verzeichnet werden, muss sichergestellt werden, dass insbesondere an diesen Stellen und natürlich auch an den umgebenden Bereichen die Stützstruktur (der Sattel) ausreichend dimensioniert ist. Lässt man für die Stützstruktur jetzt noch zum Schwerpunktabstand links und rechts 10-15 mm Luft, bekommt man eine gute Einschätzung für die benötige Breite.

Tja und da sind wir, fast schon wie zu erwarten, mit Ausnahme der absoluten Komforthaltung, bei der guten alten Einheitsbreite von 130mm die ausreichend ist (vorausgesetzt Deine Position auf dem Sattel passt).

Was kannst Du jetzt daraus mitnehmen?

Erstens ist es extrem schwer vom Ausgangsmaß des Sitzhöckerabstands zu schließen, welche Breite Deine „Belastungszonen“ aufweist, da der Winkel des Beckens und die daraus sich ergebende Lage der „Belastungszonen“ entlang des Sitzbeins praktisch nicht ermittelbar ist, aber einen signifikanten Einfluss auf dieses Maß hat. Ob dieser großen Unsicherheit ist für uns daher der Sitzhöckerabstand keine brauchbare Determinante zur Bestimmung des „richtigen“ Sattels.

Zweitens scheint es so, als würde es schon ab moderat sportlichen Haltungen ausreichen, einen Sattel mit Einheitsbreite zu nutzen.

Das klingt für Dich jetzt möglicherweise nur noch verwirrender, schließlich ist es schwer genug, die für sich passende Sitzlösung zu finden. Aber keine Angst, im nächsten Abschnitt helfen wir Dir.

WIE DANN!?

Der Markt für Sättel und Sitzsysteme ist heutzutage so vielfältig wie noch nie. Das ist super, so hast Du nämlich die Chance ein für Dich taugliches Sitzsystem zu finden, auch ganz ohne Deinen Sitzknochenabstand.

Aus unserer Sicht hat ein Sitzsystem (bestehend aus Hose und Sattel) zwei Kernaufgaben: Druck minimieren und Reibung in Grenzen halten. Dem Sattel kommt dabei vor allem die Aufgabe des Druckminimierens zu. Die allereinfachste Art Druck zu minimieren ist, die auftretende Kraft (bildet sich aus dem Anteil Deines Körpergewichts auf dem Sattel) über eine größere Fläche abzufangen. Schließlich ist Druck gleich Kraft, geteilt durch Fläche. Stehst Du nun vor der Herausforderung des Sattelkaufs, ist so eine ganz einfache Leitlinie schon mal: Bist Du leicht, reicht ein vergleichsweise schmaler Sattel, bist Du schwerer, lohnt ein Blick auf breitere Sättel, da diese schlicht mehr Fläche zum Sitzen bieten.

Jetzt könnte man meinen, dass dies im Widerspruch zum vorigen Absatz steht, da hatten wir ja die Einheitsbreite postuliert. Dem ist aber nicht so, die Einheitsbreite könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit sicherstellen, dass die Belastungszonen sauber von der Stützstruktur/ dem Sattel gefangen werden. Um die knöchernen „Belastungszonen“ im Becken herum gibt es aber auch noch ausreichend belastbares Gewebe, das zum Sitzen genutzt werden kann. Und das kannst Du prima für die Erweiterung der Sitzfläche ausnutzen.

Nun gibt es natürlich noch viele weitere Parameter eines Sattels. Wir haben das in der Vergangenheit in diesem Blogbeitrag zusammengefasst.

Nach Lektüre dieses Beitrags und des obigen Links solltest Du eine vernünftige Orientierung für Deinen nächsten Sattelkauf haben. Hast Du nun einen guten Händler oder einen aufgeschlossenen Sattelhersteller, so sollte es möglich sein, dass Du verschiedene Modell probieren kannst. Sitzen ist aus unserer Erfahrung keine exakte Wissenschaft, sondern durchaus auch durch persönliche Präferenzen bestimmt.

Will das Sitzen bei Dir aber so gar nicht klappen, dann gibt es nur einen Weg. Die fachmännische Ausmessung von Dir, auf Deinem Rad, mit Deinem Sattel und Deiner präferierten Hose, mit Hilfe eines elektronischen Satteldruckmesssystems. Nur so sieht man das „schmerzliche“ Ergebnis so verschiedener Parameter wie Sitzhaltung, Position auf dem Sattel, Satteleigenschaften und Hosentauglichkeit. Elektronische Satteldruckmesssysteme sind derzeit ob Ihres hohen Preises und des notwendigen Know-Hows zur Interpretation der Druckverteilungsbilder nur bei Bikefittern oder sehr gut aufgestellten Bikeshops zu finden. Aus der Erfahrung von hunderten Messungen mit unserem Druckmesssystem muss man aber sagen, dass sich solch eine Vermessung mehr als lohnt.

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